Wir hatten in einem der letzten Artikel die permanente Veränderung unseres Gehirns erläutert. Es passt sich an neue Gegebenheiten an und verändert sich entsprechend. Es lernt und entwickelt sich und das macht es sogar gern. Veränderungen sind somit kein Problem für unser Hirn.
Die Erfahrung der meisten Manager ist anders. Bei vielen Change Projekte hat man mit Gegenwind und Widerstand zu kämpfen. Es wird in der Literatur berichtet, dass 50% der Change Projekte in die Hose gehen. Das anvisierte Ziel wird vielfach nicht erreicht. Und das liegt meist am Widerstand der Belegschaft. Wenn sich unser Gehirn so gern verändert und entwickelt, warum gehen dann so viele Veränderungen schief? Und wie können wir Veränderungen gehirngerecht gestalten?
Es geht so viel schief, weil wir eine andere Seite unseres Gehirns nicht genügend beachten. Wir sind zwar gut uns an unsere Umwelt anzupassen, doch an erster Stelle stehen unsere Bedürfnisse. Und ganz besonders das Bedürfnis nach Sicherheit. Und dafür tut unser Gehirn alles. Wenn unser Gehirn also nur ansatzweise die Idee entwickelt, die Situation in der wir uns befinden ist gefährlich, dann wird unser Angst und Abwehrsystem angeworfen. Und das führt zu Widerstand. Und je bedrohlicher die Situation wahrgenommen wird, je größer der Widerstand.
Dabei kommt es nicht auf die reale Bedrohung an. Es kommt darauf an, in wie weit sich der Mitarbeiter bedroht fühlt. Jeder entwickelt da seine eigene Realität. Jeder interpretiert die Situation aufgrund bereits gemachter Erfahrungen. Dinge, die sie nicht als bedrohlich empfinden können beim anderen die größten Ängste auslösen. Jedes Gehirn ist da anders. Häufig wird dann gegen die Veränderung geschossen und Gründe aufgeführt warum man das nicht tun sollte. Dabei ist man nicht gegen die Veränderung, sondern dagegen „wie“ verändert wird.
Meine Erfahrung zeigt, dass die meisten Chefs denken, die Mitarbeiter wollen die Situation nicht verändern und alles beim Status Quo belassen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die meisten Menschen schießen nicht gegen die veränderte Situation, sie empfinden nur den Prozess als bedrohlich. Und das führt zu Widerstand. Auch wenn der Widerstand etwas Individuelles ist, sind für die meisten Menschen folgende Situationen und Prozesscharakteristiken mit Ängsten verbunden.
Schlechte Erfahrungen
Gab es bereits einmal ein Change Projekt und wurde das als sehr schlecht und bedrohlich wahrgenommen, werden Mitarbeiter bereits durch die Ankündigung eines weiteren Projekts in den gleichen Zustand versetzt. Insbesondere, wenn der Ablauf und die Struktur des Projektes dem ersten sehr ähnlich sind. Wenn also ein Projekt mal schief gelaufen ist, dann machen sie das Nächste ganz anders.
Mitarbeiter haben keine Idee davon, was auf sie zukommt
Wir können nicht in die Zukunft schauen. Aber fast jeder hat einen stabilen Tagesablauf, mit dem er zufrieden ist und mit dem er sich arrangiert hat. Änderungen die von außen aufgedrückt werden sind da nicht willkommen. Erfahren Mitarbeiter, das sich in Zukunft etwas ändern wird, fangen sie an über die Möglichkeiten zu spekulieren. Und bei den meisten macht sich eine Angst breit, dass sich etwas verschlechtern wird. Und läßt man Menschen für einige Zeit wild spekulieren, dann wird die Angst vor dem was kommt immer größer.
Andere bestimmen über meine Zukunft
Ich hasse nichts so sehr, wie wenn andere Menschen über mein Leben bestimmen. Die Aufforderung „Bring doch mal den Müll runter“ ist ein gutes Beispiel. Selbst wenn ich es gerade machen wollte, bewirkt die Anweisung eine sofortige Abneigung gegen die Aufgabe und ein Hinauszögern. Dabei finde ich das Resultat und die angestrebte Situation sehr gut. Es liegt also nicht an der Aufgabe an sich, es liegt an dem Prozess. Es geht gegen meinen Selbstwert und meine Autonomie, wenn ich nicht selbst entscheiden kann. Wahrscheinlich bin ich da etwas sensibel oder paranoid, aber ich kann eine ähnliche Abneigung bei vielen Menschen gegen Anweisungen erkennen. Und das ist auch in Veränderungen so. Man kann dem Mitarbeiter nicht sagen: „So, wir machen das jetzt anders. In Zukunft machst Du das so und so“. Auch wenn er nichts sagt, die interne Rebellion ist gewiss.
Druck etwas machen zu müssen
Ob andere jetzt sagen was ich tun soll oder wie ich es tun soll ist egal. Ich mag es nicht. Beides beschränkt meine Autonomie und meine Selbstbestimmung. Und viele andere Mitarbeiter mögen es auch nicht. Wenn ich also etwas bis Ende des Tages tun muss, weil mir mein Chef gesagt hat, ich müsste das tun. Dann mache ich das nur mit Widerwillen. Habe ich selbst entschieden, das Projekt bis heute Abend zum Abschluss zu bringen, dann arbeite ich mit Begeisterung daran. Ich wehre mich nur gegen den Druck. Und das ist Kopfsache!!
Angst vor Fehlern
Wenn Veränderung stattfindet, dann hat das vielfältige Veränderungen zur Folge. Vielleicht im Ablauf, in den Verantwortungen, in der Organisation und der Logistik, um nur einige zu nennen. Wenn ich viele Dinge anders machen muss, dann ergibt sich auch eine größere Wahrscheinlichkeit Fehler zu machen. Wenn Fehler nicht gerne gesehen sind, erhöhen wir durch eine Veränderung die Angst Fehler zu machen. Die Unsicherheit steigt zusätzlich an und der Widerstand steigt.
Wie kann man also eine Veränderung gehirngerecht gestalten
Ich weiß, es geht nicht immer alles einfach und wir machen alle viele Fehler. Sicherlich funktioniert nicht alles gut nach einem vorgegebenen Schema. Folgende Prinzipien haben sich aber in vielen Unternehmen bewährt. Je intensiver sie diese Dinge leben, je einfacher wird Veränderung von statten gehen und umso begeisterter sind ihre Mitarbeiter. Ein besonderer Tipp: Nennen sie Veränderungsprojekte niemals Change oder Veränderungsprojekte. Benennen Sie es nach dem Ziel. Effizienz-Erhöhungsprojekt oder Qualitäts-Verbesserungsinitiative. Ziele strebt mein Kopf viel lieber an als Veränderung.
Mitarbeiter einbinden
Ich gehe davon aus, dass Mitarbeiter an dem Erfolg der Firma interessiert sind. Schließlich ist ihr Schicksal eng mit dem der Firma verbunden. Man kann also zu jeder Zeit mit den Mitarbeitern Lösungen für anstehende Herausforderungen suchen. Teresa Amabile zeigt in ihrem Buch „The progress principle“, dass Mitarbeiter bereit sind viel für die Firma zu tun wenn es sinnvoll ist und die Firma weiter bringt. Mit allen über die Situation zu diskutieren erhöht ihren Selbstwert und ihr Engagement. Es erhöht die Vielfalt der Ideen und kann zu ganz neuen Wegen führen. Meist wollen Mitarbeiter nur die Möglichkeit haben, ihren Senf dazu zu geben. Sie wollen gehört werden. Wenn sie also mal was anders machen wollen, fragen Sie doch ihre Mitarbeiter wie man die Fehlerrate senkt oder wie man ein besonderes Qualitätsziel erreicht.
Ziele gemeinsam bestimmen
Okay, nicht jeder der 20000 Mitarbeiter sollte mit an der Strategie und den Zielen der Firma arbeiten. Aber ausgewählte Mitarbeiter kann man durchaus mit strategischen Aufgaben betreuen (lesen sie dazu vielleicht mal das Beispiel der Firma Eckes-Granini im Buch „Führen mit Hirn“). Wichtig ist, dass jeder mitbestimmen kann, was er zum Erfolg der Firma beitragen kann. Ob es um die Abteilungsziele oder nur die Gruppenziele geht; wenn immer sich Mitarbeiter engagieren können erhöht das den Selbstwert, die Motivation und das Engagement und läßt Ängste verfliegen.
Wege zusammen gehen
Bestimmen Sie nicht nur gemeinsam ihre Ziele, bestimmen Sie auch gemeinsam den Weg dorthin. Jeder hat seine besonderen Stärken und Fähigkeiten die er auf dem Weg einbringen kann. Nutzen Sie die Potentiale ihrer Mitarbeiter. Das erhöhte die Identifikation mit der Firma und läßt Widerstand gar nicht erst entstehen. Wenn sich Jeder einbringen kann und Fehler eine Möglichkeit sind sich weiter zu verbessern, dann steht einem erfolgreichen Kundenzufriedenheits-Projekt nichts mehr im Wege.
Gehirne verändern sich permanent. Firmen sollten das auch. Aber nicht nur verändern sondern sich ständig verbessern. Das geht mit Hirn (oder sagen wir Neuroleadership) wesentlich besser. Nutzen die Köpfe ihrer Mitarbeiter richtig. Damit sie sich nicht mit Widerstand sondern Begeisterung auseinandersetzen müssen.