Wir haben in unserem Kopf zwei unabhängige Systeme, die uns steuern. Daniel Goleman nennt das Eine bottom-up und ein top-down System (Daniel Kahnemann nennt sie System 1 und System 2). Das bottom-up System läuft auch unter der Bezeichnung Autopilot. Es steuert viele unserer Verhaltensweisen und Emotionen. Der Autopilot hat Zugriff auf Routinen und Glaubenssätze, die wir im Laufe des Lebens erlernt haben. Kommt durch unsere Sinne ein entsprechender Trigger, werden die passenden Routinen abgespult. Doch das Ganze passiert unbewusst und wir haben darauf keinen Einfluss. Das top-down System hingegen untersteht unserer bewussten Kontrolle. Hier können wir überlegen, abwägen und Entscheidungen treffen. Wir sind so in der Lage strategisch zu handeln.
Der Autopilot
Wenn wir uns nicht auf eine Sache konzentrieren, wird im Gehirn automatisch das sogenannte „Default Netzwerk“ aktiviert oder auch der Autopilot angestellt. Das geschieht immer zwischen zwei Aufgaben, oder wenn Sie nicht mehr aufmerksam sind, oder wenn wir von irgendetwas abgelenkt sind. Messungen haben ergeben, das dieser Zustand, bei den meisten Leuten, mehr als 50% der Zeit einnimmt. Die meiste Zeit beschäftigt das Default-Netzwerk sich mit sich selbst oder mit Stimuli, die einen Einfluss auf das eigene Leben haben können. Sie werden sich stärker bewußt, was Sie stört oder belastet. Das System sucht nach Hinweisen für eine Bedrohung. Sobald etwas Bedrohliches erkannt wird, wird der Körper in einen aktiven Zustand versetzt (siehe Stress & Angst). So kann er sich wehren oder flüchten. Das System ist dabei wie ein Hund, der mal hier und mal da schnuppert und rasend schnell zwischen verschiedenen Eindrücken wechselt.
Sie können diesen Zustand ganz einfach induzieren, indem Sie die Augen schließen und versuchen an nichts zu denken. Dann fangen Ihre Gedanken an zu wandern. Babies haben diese Fähigkeit ab der Geburt. Auch Sie können sich fokussieren und mit einer Sache beschäftigen, sobald Sie damit aufhören, wird aber der Autopilot aktiv. Er reagiert schnell, ist sensibel Emotionen gegenüber und denkt nur sehr kurzfristig. Das System ist jedoch auch wichtig, wenn wir kreative Ideen benötigen. Es verarbeitet im Hintergrund auch das, was uns gerade umtreibt. Verknüpft verschiedene Informationen und schafft Möglichkeiten, die auf einmal in unser Bewusstsein kommen. Das sind dann unsere AHA-Erlebnisse, in denen wir besondere Ideen haben.
Das Top-Down System
Um sich mit einer bestimmten Aufgabe beschäftigen zu können, werden Aktivitäten im medialen präfrontalen Kortex durch den ventrolateralen Kortex gehemmt. Er sitzt genau hinter der rechten und linken Schläfe. Er kann kognitive, emotionale und motorische Reaktionen unterbinden und kontrolliert die Aktivität des Default Netzwerks. Dieses Top-Down System ist uns bewusst und unser Bewusstsein kann Einfluss darauf nehmen. Im Gegensatz zu dem Bottom-up System ist es langsam,
Das System wirkt wie eine Bremse neuronaler ungerichteter Aktivität. Aber, dieses System ist sehr energiehungrig. Man hat festgestellt, dass die Aktivität bei intensiver Nutzung abnimmt. Die Energiereserven müssen erst aufgefüllt werden. Jedesmal, wenn sie einen Impuls unterdrücken, ist es im Folgenden schwerer sich an etwas zu hindern. Ihre eigene Veto-Kraft wird geringer.
Wie kommt dann ein Fokus zustande? Der Präfrontale Kortex, also der hinter unserer Stirn, ist wesentlich an der Regulation unserer Aufmerksamkeit und unseres Verhaltens beteiligt. Ausfälle in dieser Region führen zu einer reduzierten Aufmerksamkeit, höherer Impulsivität, schlechterer Organisation und Planung. Die Funktion wird dabei durch Hormone Norepinephrin und Dopamin reguliert.
Fokus läßt sich lernen
Unser Autopilot möchte gerne unser Leben steuern. Wir können auch sagen, das unser Unterbewusstsein unser Leben gerne über nehmen möchte. Denn das ist äußerst Energie-effizient. Fokus kostet wesentlich mehr Energie. So gut Fokus auch ist, es gibt für unseren Kopf gute Gründe, ihn nicht zu nutzen. Allem Energieverbrauch zu Trotz, sich auf eine Sache zu konzentrieren, muss und kann man lernen. Man kann die Aufmerksamkeit bewusst in verschiedene Bahnen lenken, oder aber schleifen lassen. Fokus hilft uns, verschiedene Optionen zu überdenken, unterschiedliche Szenarien durchzuspielen und möglichst viele Informationen über ein Thema in Betracht zu ziehen. Fokus ist wie ein Muskel, den wir trainieren können. Je öfter wir ihn nutzen, je besser werden wir darin. Fokus ist wichtig für das bewusste Denken und hilft uns in den Flow zu kommen.
Flow ist ein Begriff der von Mihály Csíkszentmihály geprägt wurde. Er beschreibt einen Zustand, wenn Menschen ganz mit ihrer Arbeit verbunden sind. Zeit und Raum werden unwichtig und man ist quasi eins mit seiner Arbeit. Flow erreichen wir, wenn wir herausgefordert werden und wir all unsere Fähigkeiten einbringen müssen, um zu Lösungen zu kommen. Unsere ganze Konzentration gilt einem Ziel, wir lassen uns durch nichts ablenken.
Fokus und Multitasking
Fokussieren können wir uns nur auf eine kognitiv herausfordernde Aufgabe. Wir können keine zwei hochgeistige Aktivitäten auf einmal machen. In unserem präfrontalen Kortex ist nur Platz für eine Aufgabe. Multitasking ist nicht möglich. Wenn wir es versuchen, schalten wir einfach schnell zwischen zwei Aufgaben hin und her. Das bringt natürlich Verluste mit sich, sie werden langsamer. In der Tat hat man festgestellt, dass Menschen, die häufig versuchen Aufgaben nebeneinander zu erledigen langsamer mit der kognitiven Verarbeitung werden, egal ob sie Single-tasking oder Multitasking machen.
Multitasking geht aber doch! Routineaufgaben können Sie mit einer kognitiven Aufgabe kombinieren. Zum Beispiel Bügeln und Telefonieren, oder Auto fahren und überlegen. Weil Routineaufgaben von den Basalganglien übernommen werden, ist im Kortex Platz für andere Aufgaben.
Zu besonderer Berühmtheit ist Phineas Cage gelangt, als 1848 eine Explosion beim Eisenbahnbau eine Eisenstange seinen Kopf durchbohrte. Interessanter Weise gelangte er schnell zu Bewußtsein und konnte nach einigen Wochen wieder zur Arbeit gehen. Sein präfrontaler Kortex wurde jedoch in Mitleidenschaft gezogen. Freunde und Verwandte bemerkten schnell eine Veränderung. Er handelte irrational, war sehr harsch in seinen Bemerkungen und überaus launisch. Sein Kontrollzentrum war bei dem Unfall zerstört worden. Er konnte seinen Fokus nicht mehr richten oder sein Verhalten kontrollieren.
Fokus auf der Arbeit
Für unsere Arbeit hat das weitreichende Konsequenzen. Um effizient an einer Sache zu arbeiten, müssen wir uns Zeit nehmen. Bearbeiten Sie eine Aufgabe mindestens 15 Minuten lang sehr konzentriert, denn erst dann ist Ihr Gehirn warm gelaufen. Schalten sie Störungen wie Telefon und Handy aus, wenn Sie konzentriert arbeiten wollen. Nach jeder Störung muss sich Ihr Gehirn neu einarbeiten, Sie verlieren wertvolle Zeit. Und versuchen Sie erst gar nicht mehrere Aufgaben auf einmal zu erledigen. Das funktioniert nicht. Was dabei hilft ist ein aufgeräumter Schreibtisch auf dem nur ein Vorgang liegt. Und so gut auch eine „Open door“ Policy ist für die Kommunikation, ab und zu braucht man auch mal Ruhe, um wichtige Dinge bearbeiten zu können. Versuchen Sie öfter in den Flow zu kommen, aber geben Sie ihrem Default Netzwerk auch Raum für Ideen. In der Balance beider Systeme liegt die Kraft und die Effizienz.
Literatur
D. Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken; Penguin Verlag 2016
D. Goleman, Focus; Harper 2014
Mihaly Csikszentmihalyi, Flow. Das Geheimnis des Glücks, Klett-Cotta 2019