Lebenslang lernen

Lernen ist eine der großen Aufgaben des Gehirns. Wir lernen, seitdem wir ein Baby waren. Viele denken jetzt an die Schule und das Pauken von Vokabeln oder Jahreszahlen. Doch wir lernen wesentlich mehr als nur Sprachen und ein paar besondere Fähigkeiten. Wir lernen auch die Gesetzmäßigkeiten unserer Welt. Wir lernen Lebensregeln, Einstellungen, Vorurteile und vieles mehr, das unbewusst unser Leben bestimmt. Wir übernehmen dabei oft Verhaltens und Denkweisen unserer Bezugspersonen und der Gruppen in denen wir uns wohl fühlen. Und viele dieser Denkweisen ist uns nicht bewusst. Sie machen aber einen Großteil unserer Persönlichkeit aus.

Lernen macht flexibel

Als Kind haben Sie vielleicht öfter mit Bauklötzen gespielt. Dabei sind Ihnen des öfteren der in oder andere aus der Hand gefallen. Dabei ist Ihnen aufgefallen, dass die Klötze immer nach unten fallen, niemals nach oben. Schwupp, schon haben Sie eine physikalische Regel gelernt und im Gehirn abgespeichert. Ohne, das Ihnen das eigentlich bewußt ist. Genauso haben wir laufen gelernt, sprechen, verhandeln oder auch Durchsetzungsvermögen oder Resilienz. 

So haben wir auch gelernt wie wir mit Problemen und Herausforderungen umgehen. Oder mit älteren oder jüngeren Personen. Was machen wir im Stress? Die meisten unserer Denkweisen und Handlungen sind erlernt. 

Wir Menschen haben ein Gehirn, das so unfertig ist wie sonst keines in der Evolution. Kaum etwas ist wirklich fest verdrahtet, wir müssen alles lernen. Schauen Sie sich ein neu geborenes Pferd an, das kann schon nach ein paar Stunden laufen. Wie lange brauchen Babies? Rund ein Jahr, bis sie einigermaßen auf den Beinen stehen können. Wir müssen uns die einfachsten Dinge hart erarbeiten.

Doch dieser vermeintliche Nachteil, ist ein Vorteil. Das Gehirn ist unglaublich flexibel und passt sich wunderbar an alle Situationen an. Und lernt, sich mit allen neuen Situationen zu arrangieren. So entwickeln wir uns immer weiter. Besser gesagt, wir haben das Potential uns immer weiter zu entwickeln. Denn Entwicklung passiert nicht einfach so. Wir müssen etwas dafür tun. Nur wenn das Gehirn herausgefordert wird, werden auch neue Informationen gespeichert.  Das unser Gehirn sich permanent weiter entwickeln kann, nennt man übrigens Neuroplastizität.

Was passiert beim Lernen im Kopf

Was passiert eigentlich bei Lernen? Man geht heute davon aus, dass die Information in den Netzwerken der Nervenzellen liegt. Ständig werden neue Synapsen gebildet oder abgebaut, wenn wir etwas lernen. Das konnte erst vor einigen Jahren in einem tollen Experiment in vivo gezeigt werden. Einer Katze wurde ein Auge zugeklebt. Das bedeutet, das zweite Auge mußte mehr leisten und neue Dinge lernen. Man konnte nun schon innerhalb weniger Tage sehen, wie sich neue Synapsen im visuellen Kortex bilden, um auf die veränderte Situation einzugehen.

Wir sehen das aber auch in Vergleichen. Studien mit eineiigen Zwillingen konnten zeigen, das ihre Gehirne strukturell sehr unterschiedlich sind. Sie haben andere Informationen aufgenommen und andere Dinge gelernt. Dadurch haben sich die Nervenzellen zu anderen Netzwerken zusammengeschlossen und somit auch die Gehirne anders entwickelt. 

Vergleichen wir die Gehirne von exzellenten Musikern mit anderen Leuten, dann sehen wir ebenfalls deutliche Unterschiede in den Regionen, die für das Musizieren wichtig sind. Also motorische und auditive Regionen. Diese sind größer und komplexer. Weil sie eben häufiger genutzt werden. 

Damit Sie lernen können und es zu einer Neuverdrahtung von Synapsen kommt, benötigen Sie unter anderem Dopamin. Es ist quasi der molekulare Helfer des Lernens. Es wird hauptsächlich vom Nucleus accumbens ausgeschüttet, wenn Sie erwarten etwas Neues zu lernen oder zu entdecken. Wird Ihre Erwartung erfüllt, dann wird die neue Information sofort abgespeichert. Und das macht uns glücklich.

Dabei wird das Hirn zu dem, für das wir es benutzen. Gebrauchen wir es zum Problemlösen, wird es ein Problemlöser. Gebrauchen wir es zum Konsumieren von Informationen, dann wird es ein Konsument von Informationen. Wenn wir uns weiter entwickeln wollen, dann kommt es sehr darauf an, was wir lernen.

Was wir lernen

Wen wir mal aufzählen sollen, was wir gelernt haben in unserem Leben, dann fällt den meisten Leuten ein, das sie laufen, sprechen und viele Dinge in der Schule gelernt haben. Das können Sprachen sein, Matheregeln oder naturwissenschaftliche Fakten. Meisten also explizites Wissen, das wir jederzeit abrufen können.

Der größte Teil, den wir gelernt haben ist jedoch gar nicht abrufbar. Implizites Wissen, zu dem wir keinen direkten Zugang haben. Dazu zählen Lebensregeln, Einstellungen oder Glaubenssätze, die unser Leben bestimmen. Aber auch Charaktereigenschaften, die uns nicht bewusst sind. Wir reagieren wir auf Druck, oder auf Ehrlichkeit? Ich bemerke an mir, aber zum Glück auch an Anderen, das viele Kommentare und negative Bemerkungen über Sachverhalte, als persönliche Angriffe interpretiert werden. Und man reagiert darauf gereizt. Andere haben brillante Ideen, trauen sich aber nicht, sie zu äußern, während andere ihre (nicht so tollen) Ideen groß und breit ausrollen und überall zum Besten geben. Man schätzt, das mehr als 90% unseres Lebens von unsere Unterbewusstsein gesteuert werden. Ich plädiere deshalb dafür sein Unterbewusstsein besser kennen zu lernen und zu erfahren, wie es lernt. Damit wir unser Unterbewusstes wenigstens ein wenig unter Kontrolle bringen können. Aber vor allen Dingen, voller Selbstbewusstsein agieren können. Das ist eine der vordringlichen Aufgaben des Neuroleadership.

Wie wir lernen

Herr Gerald Hüter sagt, unser Kopf wird zu dem, mit dem wir uns beschäftigen. Ich finde, über diesen Satz sollte man einmal ausgiebig nachdenken, denn er hat viele Konsequenzen. Es bedeutet, das wir viele Dinge gelernt haben, weil sich unsere Umgebung damit beschäftigt hat und wir quasi mitgerissen wurden. So haben wir viele Einstellungen von unseren Eltern übernommen.

Ich habe eine Bekannte, die ich sehr schätze, weil sie immer ihr eigenes Ding macht. Sie kümmert sich wenig darum was andere sagen oder von ihr halten. Jetzt hat sie auch eine Tochter, die vor ein paar Jahren anfing vegan zu leben. Und die ganze Familie ist dagegen und meckert. Meine Bekannte ist fast ausgeflippt, weil sie einfach gerne Fleisch und Käse ißt. Und sie sagt: „Das hat meine Tochter nicht von mir!“. Stimmt, das Thema ist ein anderes, aber das WIE ist genau das gleiche. Da machen Mutter und Tochter einfach ihr Ding, gegen jeden Widerstand. Das gibt es in vielen Familien, wird aber auf den ersten Blick nicht so erkannt.

Wir übernehmen also gern Verhaltensweisen und Denkmuster, einfach weil wir ihnen immer begegnen. So entsteht Kultur und wird auch so weiter gegeben. Zeit spielt also eine wichtige Rolle beim Lernen.

Weiterhin müssen wir Herausforderungen begegnen und wir müssen Ziele verfolgen, damit sich neue Netzwerke bilden. Das was wir schon gelernt haben, ist schon in unseren Netzwerken repräsentiert. Erst wenn wir neuen Situationen begegnen, haben wir die Möglichkeit etwas Neues zu lernen. So können wir für jedes Problem dankbar sein, denn wir können daraus was lernen und daran wachsen.

Eine wichtige Voraussetzung zum Lernen ist Fokus. Ohne das wir konzentriert bei der Sache sind, ist lernen nicht möglich. Denken Sie nur an die vielen Stunden in der Schule, in der sie zugehört haben, aber am Ende gar nichts hängen geblieben ist. Bei mir war das zumindest so. Jetzt reicht oft eine Viertel-Stunde. Wenn ich etwas wissen will und begreifen möchte, wie etwas funktioniert, geht lernen ganz schnell. Aber man sollte voll und ganz bei der Sache sein. Und das ist heut zu Tage nicht so einfach.

Meta-Lernen

Der Satz von Gerald Hüter sagt aber auch, das wir aufpassen müssen, womit wir uns beschäftigen. Denn dazu bilden wir auch die entsprechenden Netzwerke. Beschäftigen wir uns den ganzen Tag mit Problemen oder Fehlern, dann fördern wir die Bildung von Problem bzw Fehlernetzwerken. Beschäftigen wir uns mit den negativen Aspekten unserer Kollegen, da stärken wir Netzwerke, die Fehler bei unseren Kollegen entdecken. Die richtigen Dinge zu lernen fordert Planung. Denn wir lernen viel von unserer Umgebung. Und die müssen wir bewusst wählen genauso, wie wir uns mit Dingen beschäftigen möchten.

Eine der wichtigsten Dinge im Leben ist es zu Lernen, wie wir sind. Ich glaube, wir werden uns zwar nie vollkommen kennen lernen, aber jedes neues Stück vom Puzzle ist ein Schritt zu mehr Glück und Zufriedenheit. Wenn ich erkenne, was mich wirklich treibt und glücklich macht, dann kann ich das aktiv verfolgen. Wenn ich weiß, wie meine Reaktionen auf andere wirken und warum sie da sind, kann ich aktiv mit ihnen arbeiten. Ich glaube es gibt nichts besseres als sein Innerstes mehr und mehr zu begreifen. Das ist eine echte Voraussetzung um eine gute Führungskraft zu sein.

Und die Selbsterkenntnis lässt uns auch begreifen, wie wir gelernt haben und warum. Es läßt uns die wichtigen Faktoren erkennen, und wie wir diese in unsere Arbeitswelt einbauen können. Ich nenne das Meta-Lernen. Lernen wie wir am besten Lernen und uns entwickeln können. Wir erkennen wie unsere Mitarbeiter effektiver lernen und sich verbessern.

Wenn wir als Führungskräfte mehr Wert darauf legen, dass unsere Mitarbeiter lernen, wie und was unsere Mitarbeiter lernen, dann können wir die Entwicklung unserer Firma und auch die Stimmung in der Firma nachhaltig beeinflussen. Und das ist mit einmal nicht getan. Es dauert ein ganzes Leben.

Glück und Zufriedenheit

Glücklich sein wollen wir alle, oder sagen wir fast alle. Doch was macht uns glücklich und was verschafft uns das gute Gefühl? Wir wissen mittlerweile sehr sicher, das glücklich sein, nichts mit Glück zu tun hat. Wir können unseren Zustand selber beeinflussen. Glück kommt nicht aus der Luft geflogen und setzt sich zu dem einen oder anderen. Glück empfinden wir, wenn bestimmte Botenstoffe im Hirn ausgeschüttet werden. Diese Ausschüttung können wir aktiv beeinflussen.

Dopamin & Endorphine

Eines der wichtigsten Botenstoffe in unserem Kopf ist Dopamin. Dopamin wird immer dann ausgeschüttet, wenn wir etwas Neues lernen. Sei es Klavier spielen, Fahrrad fahren oder einfach nur ein neues Lied lernen. Dopamin führt dazu, dass sich im Hirn neue Strukturen bilden können. Es wird auch dann ausgeschüttet, wenn wir neue Lebensumstände zu bewältigen haben und dies mit Erfolg abschließen. Weil genau das Lernen ist. Dabei führt allein die Erwartung des positiven Abschlusses führt zu einer Dopaminausschüttung. Und das empfingen wir als Glück.

Ganz deutlich wird die Funktionsweise der Botenstoffe bei sportlichen Aktivitäten. Kletterer, die eine schwierige Passage durchqueren, oder Läufer, die eine besonders schnelle Zeit laufen wollen. Sie alle werden schon während der Ausführung gepuscht und erleben dann bei Erreichen ein wahres Hochgefühl und anschließend eine tiefe Zufriedenheit.

Für die Zufriedenheit sind endogene Opiate zuständig. Sie werden dann ausgeschüttet, wenn wir etwas abgeschlossen haben. Eine Herausforderung, die wir gemeistert haben, oder ein schwieriges Problem, dass wir gelöst haben. Dann setzt die Entspannung ein, es kommt zur Erholung und Regeneration. Wir erfahren Harmonie und eine tiefe Zufriedenheit.

Dopamin wird aber auch dann ausgeschüttet, wenn wir etwas schönes erleben und etwas Gutes in unserer Umgebung passiert. Wenn wir etwas Gutes essen oder trinken, wenn andere uns loben oder wenn wir etwas geschenkt bekommen. Das kann auch der Bonus oder die Gehaltserhöhung sein. Und sie merken, das sind alles extrinsische Faktoren. Dinge, die von außen auf uns einwirken.

Glück & Zufriedenheit

Das Glück, das wir empfinden, wenn wir etwas geschenkt bekommen oder etwas köstliches Essen kann unseren ganzen Körper gefangen nehmen. Wir könnten bei diesen extrinsisch Motivatoren jubeln vor lauter Glück. Es ist aber leider nur von kurzer Dauer.

Das Glück, was wir verspüren, wenn wir ein Projekt abgeschlossen haben oder eine schwierige Situation gemeistert haben ist nicht so überschwenglich. Dafür dauert es länger an. Das sind die Situationen und Erfahrungen, die uns zufrieden machen. Sie sind intrinsisch motiviert.

Wir können den starken Glücksmoment, oder auch die tiefe Zufriedenheit als Glück interpretieren. Beide sind notwendig, um ein ausgeglichenes Leben zu führen. Was in jedem Fall sicher ist: Glück hat ganz viel mit Bewegung und mit Machen zu tun. Wir erfahren es im Umgang mit der Umwelt und der damit verbundenen Interaktion. Damit wir in Bewegung kommen, muß das, was wir tun, uns Spaß und Freude bereiten. Sonst tun wir es nicht mehr. Dies wiederum hängt ab, von unserer Prägung und von den Erfahrungen, die wir gemacht haben.

Bedürfnisse

Eine andere Weise, um auf das Glück zu schauen sind unsere Bedürfnisse. Jeder Mensch wird mit gewissen Bedürfnissen geboren. Die Wissenschaften gehen von 4 oder 5 Grundbedürfnissen aus. Jede Bedürfniserfüllung führt zu Glücksgefühlen, jede Bedrohung der Bedürfnisse zu Angst und Unzufriedenheit. Die 4 Grundbedürfnisse nach Epstein sind:

Beziehungen: Sie sind nach Glücksforschern der wichtigste Bestandteil von Glück. Der, der stabile glückliche Beziehungen hat, braucht im Grunde kaum mehr als das. Gute Beziehungen helfen einem über alles hinweg. Das Glücksgefühl kommt aber nicht durch Dopamin sondern durch Oxytocin zustande. Das Beziehungshormon, das uns glücklich macht, sensibel, lernfähig und ausgeglichen.

Spaß und Freude: Ich setze das Bedürfnis gleich mit den extrinsischen Dingen, die ich von anderen erhalten kann oder mir zugeführt werden können. Ein gutes Glas Wein, ein Lob oder ein aufmunterndes Tätscheln auf den Rücken. All das bewirkt eine große aber kurze Dopaminausschüttung.

Selbstwert: Ich möchte wissen, das ich ein wichtiger Bestandteil der Gruppe bin, das ich etwas Besonderes schaffen kann und dadurch einen Wert habe. Deshalb ist die Entwicklung von Fähigkeiten, von Kompetenzen so wichtig auf der Arbeit. Gleichzeitig hilft es, den Sinn der Arbeit deutlich zu machen. Warum machen wir das? So trägt man als Führungskraft zum Glück des Mitarbeiters bei.

Kontrolle: Bedeutet das ich das Gefühl habe, ich bestimme selbst über mein Leben. Ich bestimme die Zeit, die Qualität und die Sachen, die ich mache. Deshalb macht Mikromanagement wenig Sinn. Menschen wollen so viel wie möglich selbst entscheiden. Und je mehr Sie entscheiden können, je besser ist es für die Motivation.

Ich bin ein Freund der bedürfnisorientierten Motivation. Führungskräfte sollten die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter kennen und lernen damit umzugehen. Denn nicht jeder Mitarbeiter lebt seine Bedürfnisse gleich aus. Wir sollten uns ganz besonders davor hüten von uns auf andere zu schließen. Fragen sie besser nach und seien Sie aufmerksam.

Disziplin

Eine herausragende Eigenschaft des Menschen ist, für Glück auch Stress, Schmerz oder Mangel in Kauf zu nehmen. Wir verschieben das Glück sozusagen auf später. So üben wir lange, um ein Musikstück perfekt spielen zu können und quälen uns durch die Übungen. Oder wir trainieren hart, um eine besondere sportliche Leistung zu erreichen. Wir verschieben quasi den Glücksmoment auf später in der Hoffnung ein noch besseres Glücksgefühl zu erhalten. Es klingt merkwürdig, aber gerade Menschen, die eine ausgeprägte Selbstkontrolle besitzen und es schaffen diese Glücksmomente aufzuschieben führen ein glückliches Leben.

Glückliche Menschen besitzen ein starkes Gefühl der Kontrolle und der Gestaltbarkeit, sie sind gerne mit anderen zusammen und verbunden, sie erleben Veränderungen als etwas Gutes und Chance zum Wachsen und tun eine Sache mit voller Hingabe. Probieren Sie es doch einfach aus. 

Wie Sie das erreichen? Meiner Erfahrung nach helfen die folgenden Dinge:
–   Kümmern Sie sich um Ihre Stärken und das, was Sie gut können
–   Setzen Sie sich Ziele und erreichen diese
–   Haben Sie Freunde und treffen diese regelmäßig
–   Seien Sie achtsam und tun alles mit Hingabe
–   Meditieren Sie täglich
–   Fangen Sie an ein Tagebuch zu führen und dokumentieren Sie Ihr Glück