Ich lese gerade das Buch von Matthieu Ricard „Happiness“. Ein Grund das Buch zu lesen war der Titel, der andere Grund der Lebenslauf von Matthieu Ricard. Nach seinem Studium der Genetik in Frankreich, ist er vor 40 Jahren in den Himalaya umgesiedelt, um Buddhismus zu studieren. Und um ein erfülltes Leben zu leben. Leute mit solchen Entscheidungen bewundere ich. Ich lese gerade das Kapitel 16 (Happiness in the Lab). Dort erläutert er die aktuellen Forschungsergebnisse zu Glück und Zufriedenheit. Und die finde ich so spannend, das ich kurz darüber was schreiben will.
Weil er tausende von Stunden Meditationserfahrung hat, ist Matthieu auch ein beliebtes Studienobjekt für Hirnforscher. Mitunter auch von Prof. Dr. Richard Davidson. Der hat herausgefunden, dass sich glückliche, offene und fröhliche Menschen von unglücklichen, pessimistischen und ängstlichen in ihrer Hirnaktivität unterscheiden. Glückliche Menschen zeigen eine größere Aktivität im linken präfrontalen Kortex. Unglückliche Menschen zeigen eine höhere Aktivität im rechten präfrontalen Kortex. Es ist bei jedem Menschen immer ein Verhältnis von Aktivitäten. Niemand zeigt nur eine rechtsseitige oder linksseitige Aktivität. Es gibt Menschen, die eine große Aktivität im linken präfrontalen Kortex zeigen und andere die eine hohe Aktivität im rechten präfrontalen Kortex zeigen. Die Bandbreite der verschiedenen Verhältnisse ist riesig.
Wir können unsere Stimmung beeinflussen
Das Verhältnis von linker und rechter Aktivität bestimmt unsere generelle Stimmung und unser Temperament. Menschen mit hoher linksseitiger Aktivität sind die glücklichen, offenen und enthusiastischen Menschen. Das Verhältnis von links und rechtsseitiger Aktivität entwickelt sich im Laufe des Lebens und ist stabil. Aber es ist nicht fix, es ist veränderbar. Man konnte gerade bei Kindern zeigen, dass sich abhängig von der Lebenssituation das Verhältnis mal in die rechte und mal zur linken Seite bewegt. Und auch bei Erwachsenen konnte man das Verhältnis der Aktivitäten beeinflussen.
Ganz platt gesagt bedeutet dies, dass sich unsere Stimmung beeinflussbar ist und nicht genetisch festgelegt. Wir haben es selbst in der Hand, wie es uns geht. Wir sind dem Ärger und dem Pessimismus nicht ausgeliefert, sondern können damit umgehen und daran arbeiten. Ich muss zugeben, das ist mir zwar schon länger klar, aber wenn ich mich so richtig mies fühle, dann geht mir das Bewusstsein dafür verloren. Dann bin ich im Strudel meiner eigenen destruktiven Gedanken und komme nicht heraus und ein schlechter Gedanke führt zum nächsten.
Stimmung hat einen Einfluss auf die Arbeit in Firmen
Und ich sehe gerade in Firmen, dass es nicht nur mir so geht. Schlechte Stimmung greift um sich, wie ein Geschwür. Gerechtfertigt wird die Stimmung dann mit Stress, Überarbeitung, Fehlern und anderen guten Gründen. Die Situation in vielen Firmen ist alles andere als ideal. Wenn ich mit Mitgliedern des oberen Managements darüber rede, dann ist die übliche Antwort „Tja, so gut ist die Stimmung nicht, aber so schlecht auch nicht. Das ist halt so.“ „Augen zu und durch“ nenne ich das. „Die Stimmung wird schon wieder steigen, wenn es der Firma wieder besser geht“, ist die Hoffnung der meisten Führungskräfte. Meistens warten sie vergebens darauf.
Langfristige und kurzfristige Veränderungen
Matthieu sagt, es gibt verschiedene Möglichkeiten, um aus der schlechten Stimmung heraus zu kommen und die linksseitige Aktivität anzukurbeln. Ich unterscheide die kurzfristigen und die langfristigen Veränderungen. Kurzfristig kann ich meine Stimmung durch Gedanken an positive Erlebnisse der Vergangenheit oder durch das Schauen positiver Filme oder das Lesen guter Bücher anheben. Ich hab so eine kleine Sammlung an Büchern, die ich immer dann lese, wenn ich merke meine Stimmung geht mal wieder in den Keller. Und was soll ich sagen, es wirkt! Ein oder zwei kleine Geschichten, die das Herz anrühren und schon geht es wieder aufwärts mit meiner Stimmung. Mein Lieblingsbuch ist „Hühnersuppe für die Seele“, Band 1. Wirkt super bei mir. Und das kann man sogar messen.
Langfristig sind diese Veränderungen nicht. Gibt es Möglichkeiten, mein Hirn langfristig zu verändern und meine linksseitige Aktivität zu erhöhen? David Richardson untersuchte Mönche (eben auch Matthieu Ricard), die als besonders zufrieden und glücklich gelten. Diese Mönche, mit jahrelanger Meditationserfahrung und besonders in einer besonderen Art der Meditation, der „Mitgefühlsmeditation“ weisen eine hohe linksseitige Aktivität auf, die weit über das normale Maß hinausgeht. Dazu hatten sie auch eine besondere Aktivität von Gamma-Wellen im Kopf. Einige Wissenschaftler bringen das in Zusammenhang mit einem erhöhten und verbesserten Bewusstsein und der Fähigkeit unterschiedliche Themen im Kopf zu verbinden. Das Nachdenken über andere und das Mitfühlen mit anderen führt zu einem besonderen Gefühl der Zufriedenheit und einer guten Stimmung. Aber man hat nicht nur gezeigt, das Mitgefühl die Stimmung verbessert, sondern auch, das eine Veränderung des Hirns selbst herbeigeführt werden kann. Das Training des Gehirns durch Meditation führt zu sichtbaren und spürbaren Veränderungen der Stimmung.
Wir haben es in der Hand
Die haben‘s gut, könnte man jetzt denken. Die nehmen sich auch jeden Tag 8-10 Stunden Zeit um zu meditieren. Die Zeit haben wir nicht. Können wir unsere Stimmung dann nicht beeinflussen? Neuere Untersuchungen legen nahe, dass selbst Meditationsanfänger ihre Stimmung und ihre Gesundheit innerhalb von Wochen wesentlich verbessern können. Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Jeder Tag, der mit einer Meditation beginnt wird deutlich entspannter. Und nach Jahren der Meditation fühle ich mich auch deutlich zufriedener und glücklicher. Ich bin aber sicher, dass nicht nur Meditation zu einer verbesserten Stimmung und einer Veränderung im Kopf führt. Auch Optimismus-Tagebücher, visionäres Schreiben, Mitfühlen mit anderen, Altruismus und vieles mehr führt zu einer deutlichen Stimmungsverbesserung und einer Veränderung im Kopf. Die wurden bis jetzt noch nicht wissenschaftlich untersucht. Aber ich bin sicher, in den nächsten Jahren wird sich da einiges tun.
Wir haben verschiedene Möglichkeiten uns selbst zu beeinflussen und unsere Stimmung anzuheben. Kurzfristige schnelle Hilfe aber auch eine langfristige Veränderungen in unserem Kopf. Indem ich mich mit anderen beschäftige und mich frage, wie der andere sich fühlt und wir es ihm geht. Indem ich mich um andere sorge und mich nicht immer als den Mittelpunkt der Welt ansehe. Ich glaube, das steht in Einklang mit vielen Glücksforschern und vielen Lehrern und Philosophen. Erfahrbar und jetzt auch noch wissenschaftlich belegt. Also, ran an die Stimmung.
Markus Ramming