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Stress und Angst

Stress ist eines der größten Probleme in der Arbeitswelt

Dauerstress ist für die meisten Menschen in Deutschland normal. Krankenversicherungen schätzen, das mindestens 20% (eher 30%) aller Deutschen permanent erschöpft sind. Sie glauben den vielen Anforderungen nicht mehr Herr zu werden und kommen aus dem Stress nicht mehr raus. In den meisten Firmen wird Stress als etwas vollkommen Normales gesehen. Viele glauben, dass Druck ein zuverlässiges Mittel ist, um Menschen zum Handeln zu bewegen. In der Tat, kann man mit Druck und Angst einen Menschen dazu bringen, etwas zu tun. Wenn Angst jedoch die Triebfeder ist, arbeitet man mit Widerwillen und ohne Motivation. So wird Leistung und Kreativität ganz dramatisch gesenkt. Das Gehirn ist im Dauerstress nicht leistungsfähig, denn die Energie wird in den Körper gepumpt. Wir sind pessimistischer, gereizter und fokussieren auf Probleme statt Lösungen. Stress ist somit der Leistungskiller Nr. 1 und bewirkt genau das Gegenteil, von dem was Firmen und Chefs wollen.

Heutzutage sind die Stressauslöser psychischer Natur

Angst ist ein schlechter Ratgeber, sagt man. Da ist etwas dran. Angst entsteht immer dann, wenn wir keinen befriedigenden Ausweg aus einer bedrohlichen Situation kennen. Und als Bedrohung empfinden wir nicht nur den Tiger oder den Verbrecher mit vorgehaltener Pistole. Bedrohungen sind in unserer Zeit subtiler geworden. Früher war der Bär oder der Mann mit dem Messer eine reale physische Bedrohung. Damit wir gegen diese physische Bedrohung etwas machen konnten, musste unser Körper, so schnell wie möglich in einen Zustand kommen, der einen Gegenangriff oder eine Flucht ermöglicht. Im Körper mussten Energien freigesetzt werden, um Leistung zu bringen. Heute sind die stressauslösenden Faktoren psychischer Natur. Das kann die EMail eines Kollegen oder Kunden sein, oder aber die heranrückende Deadline des Projekts. Besonders sensibel sind wir gegenüber Gesichtern. Schon das unwirsche Gesicht des Chefs oder eine kleine abfällige Zuckung wird als Bedrohung interpretiert und bewirkt Angst und Stress. Überlegen wir uns mal, wie oft so etwas geschieht, dann können wir uns gut vorstellen, warum die meisten von uns im dauergestressten Zustand sind.

Kortisol ist hilfreich, aber nicht immer

Wenn wir Angst haben, dann kommt es zuerst zu einer Reaktion des Nervensystems. Über den Sympathikus wird unser Körper in einen leistungsbereiten Zustand versetzt. Der Herzschlag und der Blutdruck steigen und die Körpertemperatur geht nach oben. Das geht rasend schnell. Wir können das manchmal bemerken, wenn wir uns erschrecken und ein Schauer durch unseren Körper läuft. Hat unser Gehirn keine Strategie parat, um mit der Situation umzugehen kommt es zum zweiten Schritt. Dann werden Hormone entlassen und das Nebennierenmark schüttet Kortisol und Adrenalin aus. Das bewirkt einen weiteren Anstieg unserer Herzschlages, eine erhöhte Temperatur, Zuckerausschüttung ins Blut und Schweißproduktion. Das ist notwendig, damit unser Körper sofort Höchstleistungen vollbringen kann. Weglaufen zum Beispiel, wenn wir in Gefahr sind.

Kortisol hat im Körper verschiedene Funktionen. Morgens hilft es uns beim Wach werden. Nachts übernimmt das Hormon Melantonin die Regentschaft und läßt uns schlafen und entspannen. Wird es morgens hell, dann steigt die Kortisolausschüttung und kurbelt unseren Kreislauf an. Es ist wichtig, damit wir in die Pötte kommen und Dinge anpacken. die Kortisolkonzentration hat jedoch einen optimalen Punkt. An diesem Punkt sind wir besonders leistungsbereit. Wird durch viele bedrohliche Situationen jedoch weiter Kortisol ausgeschüttet, dann wird dieser optimale Level schnell überschritten. Eine hohe Menge an Kortisol führt zu Stress. Die Folge sind eine verminderte kognitive Leistungsfähigkeit und eine geringere Kreativität. Unser Kortex wird heruntergefahren und wir können nicht mehr richtig denken oder gute Entscheidungen treffen.

Sehr hohe Kortisolkonzentrationen haben einen hemmenden Einfluss auf das Wachstum von Hirnzellen. Besonders Zellen im Hippocampus sterben durch zu hohe Konzentrationen ab. Da der Hippocampus maßgeblich an der Speicherung von Informationen beteiligt ist, kann man sich gut vorstellen, dass durch Stress auch das Gedächtnis leidet.

Im Stress greifen wir auf uralte Verhaltensmuster zurück

Bei Stress wird die Energie, die vom Hirn dringend gebraucht wird, abgezogen und für die Fluchtreaktion bereitgestellt. Der Körper benötigt die Energie, das Gehirn ist jetzt nicht so wichtig. Was auch logisch ist. Wenn man einem Säbelzahntiger gegenüber steht, dann muß man nicht nachdenken, sondern rennen oder kämpfen. Wir büßen so eine Großteil unserer kognitiven Fähigkeiten ein.

Was machen wir dann? Wenn wir nicht mehr richtig überlegen können und und unser Kortex nicht mehr funktioniert? Zum Glück hat das Gehirn noch ein paar alte Reaktionsprogramme auf die es zurückgreifen kann. Diese befinden sich in den Basalganglien, unserem Routinespeicher. Hier sind alle Routinen gespeichert, die wir ohne Bewusstsein ausführen können. Sie laufen in unserem Unterbewusstsein ab. Die drei Programme sind Flucht, Kampf oder Erstarren. Dabei ist es abhängig von der Situation und den Erfahrungen der Person, welche Strategie eingeschlagen wird. Im Falle von Flucht, verschwinden die Personen einfach, beim Kampf werden Sie einen Streit entfachen, während erstarrende Menschen einfach gar nichts machen. Sie versuchen möglichst regungslos die Situation zu überleben.

Unser Stress-Körper-Bewusstsein muss größer werden

Weil wir jedoch nur wenig Bewusstsein für unsere Leistungsfähigkeit haben, bemerken wir den Unterschied nicht. Und deshalb nehmen wir Stress auch nicht als allzu große Belastung war. Er gehört mittlerweile schon zum Leben. Die meisten Menschen bemerken zwar den Druck und fühlen Stress. Sie bemerken aber nicht, wie der Stress ihren Kopf lähmt. Das liegt auch häufig daran, das wir versuchen ihn zu ignorieren. Es hat sich in unser Unterbewusstsein die Denkweise eingeschlichen „Wenn wir ihn nicht bemerken, dann ist er auch nicht da“. Das ist leider ein Trugschluss. Viele Menschen rennen so in einen Burn-out und sagen dann „Ich hab es nicht kommen sehen“.

Ich plädiere deshalb für ein besseres Körperbewusstsein. Zwei Dinge funktionieren bei mir ganz gut, um das Bewusstsein zu stärken. Eine Übung ist recht einfach. Ich nehme mir ein paar Minuten Zeit und frage mich „Was fühle ich gerade?“. Dazu versuche ich die richtigen Begriffe für die Gefühle zu finden und sie mir laut zu sagen (Zum Beispiel „Ich fühle mich gerade klein, wütend, vernachlässigt“). Das ist gar nicht so einfach, weil es uns meist nur GUT oder SCHLECHT geht. Die richtigen Worte zu finden, fällt uns schwer und wir müssen das üben und lernen. Je mehr wir das machen, je besser wird unser Bewusstsein für unseren körperlichen Zustand. Je besser wird aber auch unsere emotionale Kontrolle. Es gibt einige Untersuchungen, die zeigen, das ein lautes Aussprechen des emotionalen Zustands, die Aktivität der Amygdala, um bis zu 50% senkt.

Eine andere Möglichkeit mit Stress umzugehen und mehr Körperbewusstsein zu entwickeln ist der Body-Scan. Das ist eine Meditationsform, bei der man Stück für Stück in seinen Körper hineinfühlt und bemerkt was sich dort gerade tut. Prickelt es, zieht es oder ist es dort besonders warm oder kalt. Es gibt dazu einige Anleitungen im Internet und einiges an Literatur. Am besten erscheint es mir aber, einen MBSR (Meditation based Stress reduction) Kurs zu machen. Der dauert 8 Wochen und es gibt in in jeder größeren Stadt. Man lernt viele verschiedene Meditationsformen, die nachweislich einen positiven Effekt auf die Stressreduktion, die Stärkung des Immunsystems und die Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit haben.

Können wir sonst etwas gegen den Stress tun? Während die oben genannten Übungen eher mentaler Natur sind, können wir uns auch um unseren Körper kümmern und aktiv den Gegenspieler des Sympathikus, den Parasympathikus aktivieren. Der Sympathikus ist ja für die Aktivierung des Körpers verantwortlich, der Parasympathikus für die Entspannung. Der Parasympathikus ist während des Schlafens aktiv – das ist eine unserer besten Möglichkeiten zum Entspannen. Leider aktivieren wir oft aktiv unseren Sympathikus und schlafen dann schlecht. Schlaf-forscher geben deshalb folgende Empfehlungen

  • dunkles Schlafzimmer (denn Licht aktiviert den Sympathikus)
  • Kein Essen vor dem Schlafen
  • Kein Alkohol vor dem Schlafen
  • aufreibende Filme vermeiden
  • keine Emails oder andere Arbeiten am Computer
  • emotional stimulierende Aktivitäten vermeiden

Manchmal schlafen Menschen auch 8 Stunden, fühlen sich aber trotzdem wie gerädert. Schuld ist daran, das der Körper aufgrund der Sympahtikus-Aktivität nicht zur Ruhe kommt. Gehen Sie am besten zu einem Schlafspezialisten, der kann die Aktivitäten gut messen und noch weitere Tipps für einen gesunden Schlaf geben.

Ansonsten bin ich fest davon überzeugt, das es gut ist Sport zu machen, um Stress abzubauen. Das erhöht die Resistenz gegen Kortisol-spitzen und beschleunigt den Abbau. Daneben hilft Sport bei der Bildung von neuen Nervenzellen und stärkt das Immunsystem. Ich denke, Sie haben es gemerkt: Dem Stress zu begegnen ist nicht auf eine Technik begrenzt. Wir sollten verschiedene Techniken kombinieren und austesten was uns gut tut.

Literatur

Grawe, K., 2004. Neuropsychotherapie. s.l.:Hogrefe.

LeDoux, J., 2001. Das Netz der Gefühle. s.l.:Deutscher Taschenbuch Verlag.

Hüther, G., 2012 Biologie der Angst. Wie aus Streß Gefühle werden (Sammlung Vandenhoeck)

Feinstein, J; The Human Amygdala and the Induction and experience of fear; Current Biology 2011

Damasio, A.; Der Spinoza Effekt. Wie Gefühle unser Leben bestimmen. List Taschenbuch 2004